„Der Braetling ist eine Delikatesse“



Für Veronika Roider ist der Braetling ein Traum von einem Pilz. Keiner ist edler, keiner, der ihre Küche derart krönen könnte. Seit Kindesbeinen stellt sie dieser Köstlichkeit und Kostbarkeit nach. Und sie weiß fast genau auf den Tag, wann die Zeit reif ist.





Foto links: Unverkennbar sind Duft und Milch des Brätlings. Veronika Roider, hier auf dem Foto, würde beide noch in Schlaf und Traum erkennen.




„Wenn der Weizen gedroschen ist, dann ist es soweit“, sagt ein altes Bauernsprichwort. Am Tag seines Erscheinens beglückt er ihre ganze Familie tief im Bayerischen Wald: der Milchbrätling (Lactarius volemus). Oder Milchbratling oder Birnenmilchling. Oder einfach Brätling, wie er meist genannt wird.


„Heute hat keine Familie in Bayern ein so gutes Essen“

Irgendwann einmal, es ist lange her, da habe sie an einem Samstagnachmittag, wie so oft, mit den Kindern Kuchen gebacken. „Das dauerte immer bis vier Uhr. Mein Mann bemerkte, wie unruhig ich war.

‚Was ist nur mit dir los, was pressiert’s dich denn so, was bist du so hektisch?’, fragte er. ‚Die Braetlinge wachsen, du weißt es doch, da muss ich noch raus.’ ‚Du bist verrückt, es ist Samstagnachmittag. Und du willst noch raus.’

Und dann bin ich los. Ich hab’ wenig gefunden, hätt’ aber nicht schlafen können, wenn ich nicht rausgegangen wäre. Wenn der Millibrätling da ist und ich meine Runden nicht gehen kann, dann bin ich todunglücklich.“




Hier findest Du Veronika Roiders leckeres Braetlings-Rezept

Zur Fortsetzung des Porträts "Veronika Roider"





Foto: Zwei herrliche Milchbrätlinge im besten Alter, fotografiert von dem tschechischen Pilz- und Naturfotografen Jaroslav Malý. Zu beachten ist der typische milchige Tropfen am Hutrand des rechten Pilzes. Mit technischer Perfektion und künstlerischer Intuition weiß Malý die Charakteristik der Pilze vollendet in Szene zu setzen. Er zählt zu den herausragenden Pilz-Fotografen Mitteleuropas (Foto © Jaroslav Malý).





Einmal habe ihre Tochter beim Verzehr von Milchbraetlingen haltlos geschwärmt: „Heute hat keine Familie in ganz Bayern ein so gutes Essen wie wir.“ Jedes Mal, wenn Veronika Roider seither Milchbrätlinge in der Pfanne und auf dem Tisch hatte, habe sie an diesen Ausspruch denken müssen: „Weil er immer zutrifft, wenn man den Milchbraetling isst.“


„Millibrätling“, so sagen sie auch im Bayerischen Wald. Hier wächst er noch, jedes Jahr zeigt er sich in unverbrüchlicher Treue. Sie weiß: „Der Braetling mag es eher trocken und kommt, wenn der Mond abnimmt. Er ist vor den Steinpilzen da. Ich fand Milchbrätlinge sehr ergiebig sogar tief im Gebüsch, wo ich sie nie vermutet habe.“


Ein alter Mann kannte die Bauernregel vom Milchbraetling

Doch man lernt immer dazu, und häufig dann, wenn man überhaupt nicht damit rechnet. Einmal, als sie mit Brätlingen heimging, da sei sie einem alten Mann begegnet.

Freundlich habe er zu ihr gesagt: „Wenn der Braetling so früh im Jahr ist, wird es kein gutes Steinpilzjahr werden.“ Je später, desto ergiebiger falle die Steinpilzernte aus, so der Fremde. Einige Monate später wusste Veronika Roider, wie Recht der Unbekannte doch hatte.





Foto rechts: Veronika Roider zeigt das Gold des Waldes: Pfifferlinge, die wie Edelmetall glänzen. Und wenn diese zwei Exemplare alles wäre, was sie gefunden hätte, auch damit wäre sie glücklich und zufrieden. Sie ist eine überaus bescheidene Frau.




So hat sie stattdessen also Brätlinge und Pfifferlinge gesucht, zu gerne auch in Sträuchern und Gebüschen. Womit eine wichtige Eigenart von Veronika Roider genannt wäre. Während nämlich ihr Mann, von Beruf Maurer, lieber auf Wegen bleibt, „schlage ich mich bevorzugt ins Dickicht“.





Die Pilze verstecken sich zwischen moosbedeckten Steinen

Zu gerne durchstöbert die gelernte Gärtnerin schwer zugängliche Stellen. „Wenn ich auf diese Weise einen Platz nach dem andern abgrase, verliere ich meist das Gefühl für die Zeit. Da fliegt der Tag nur so vorüber.“

Wenn Veronika Roider durch „ihren“ Wald geht, dann will es scheinen, Rotkäppchen sei unterwegs. Ein rotes Kopftuch mit weißen Punkten umschließt ihr Haar; in der einen Hand trägt sie den aus Ruten geflochtenen Pilzkorb, in der anderen einen zünftigen Spazierstock. Damit stützt sie sich in erster Linie ab.

Für den Fall der Fälle soll er ihr aber auch als Hieb- und Stichwaffe gegen angriffslustige Wildschweine dienen, die von Tschechien rüberkommen.

Der Wald, den sie durchstreift, ist ein Wald wie aus einem Märchen. Unter steinalten Fichten, Buchen und Eichen geht man wie auf einem flauschig weichen Teppich, goldbraun von gefallenen Blättern, grün vom Moos.

Tonnenschwere Steine, die die Würmeiszeit erst rund geschliffen und dann an einem Hang einfach liegen gelassen hat, sind von Moos überwachsen. Veronika Roider: „Es ist wie im Zauberwald hier. Nein, es ist ein Zauberwald. Denn die Pilze wirken darin wirklich wie in einem Märchen.“


Foto: Unterwegs im Zauberwald: Es erinnert tatsächlich ein bisschen an Rotkäppchen, wenn Veronika Roider in ihrem Märchenland Pilze sucht.


An sonnigen Herbsttagen protzen die Steinpilze mit ihren dunkelbraunen Kappen in dem leuchtenden Moos, die Pfifferlinge prahlen mit sattem Dottergelb und ihre geliebten Braetlinge - mal braunrot, mal goldgelb, mal orangebraun - strotzen nur so vor köstlicher Milch.

Unstillbare Sehnsucht nach dem Wald und Pilzen

Aber so märchenhaft war es nicht immer in ihrem Leben. 1956 musste sie im Münchner Stadtteil Bogenhausen eine Gärtnerlehre antreten, die vier Jahre dauern sollte. Es kam einer Vertreibung aus dem Paradies gleich.

„Ich war damals 14 und habe furchtbares Heimweh gehabt. Unvorstellbares Heimweh! Zuhause im Bayerischen Wald hatten wir kein Telefon. Weil ich die altdeutsche Schrift meiner Mutter nicht lesen konnte, schrieb sie mir erst gar nicht.“

Nur drei Mal im Jahr habe sie heimfahren dürfen. „Ach, war das schlimm, was habe ich geweint. Wie oft habe ich mir gesagt: wenn ich nur heim dürfte, ich würde den ganzen Weg zu Fuß gehen, ich könnte mich sonst wohin verlaufen, aber irgendwann käme ich im Bayerischen Wald an.“ 

Schon lange vor der Lehre hat sie zu Hause anpacken müssen. In der Küche, im Stall, wo vier Kühe standen, in der Scheune, auf dem Hof, im Garten, auf den Feldern und natürlich im Wald. „Im Grunde hatte ich, als ich meine Lehre antrat, bereits eine volle landwirtschaftliche Ausbildung hinter mir.“ 

Doch über der manchmal erschlagenden Geschäftigkeit stand seit Kindheitstagen wie selbstverständlich etwas Unverzichtbares: Pilze. Sie waren beides, nämlich etwas fast Alltägliches und gleichzeitig der pure Luxus.


„Wenn du heiraten willst, musst Du Pilze einkochen können“

„Im Winter zu Knödeln oder Kartoffelbrei, da sind Pilze so etwas Leckeres. So etwas Wunderbares! Etwas Normales und dennoch etwas ganz Besonderes. Ich hatte es von der Mutter gelernt, sie in Weckgläser einzukochen.

Gefriertruhen gab es ja damals noch nicht. Und Vater sagte, ich müsste das beherrschen, wenn ich heiraten würde. ’Derndl, des musst lern’, wenn’st a Familie versorgn wuist’“, hat er gesagt.


„Eigentlich hat mich mein Vater zu den Pilzen hingestupst, vor allem zu den Braetlingen. Sobald sie da waren, musste ich raus. Dann hielt es mich nicht mehr. Wie herrlich das ist, wenn sie so dastehen... Wie es riecht und duftet, wenn man den ersten Braetling im Jahr schneidet…“


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