„Für die herrlichen Braetlinge
danke ich dem Herrn Gott“

Braetlinge: Fortsetzung des Porträts Veronika Roider



Dass es Braetlinge in ihrer Heimat im Bayerischen Wald gibt, ist für Veronika Roider fast so etwas wie dauerhafte Glückseligkeit.

Lange wusste man nicht, warum diese begehrten Pilze in anderen Mittelgebirgen kaum oder nie anzutreffen sind.

Heute ist die Mykologie weiter. Milchbrätlinge mögen keine kalkhaltigen Böden. Sie benötigen genau das, was der Nationalpark Bayerischer Wald großflächig bietet, nämlich Boden als Verwitterungsresultat von Granit und Gneis. Beide sind saure Urgesteine und arm an Magnesium, Kalium und Calcium.

Dennoch und obwohl nur wenige Pilzsammler Braetlinge kennen und ihnen nachstellen, haben sie sich auch unter dem Falkenstein, Rachel und Lusen sehr rar gemacht. Deutlich ist zu erkennen, dass sie sich rigoros zurückziehen.


Veronika Roiders leckeres Brätlings-Rezept


Heinrich Holzer (†) (Foto © pps.com) zog als Regionalbeauftragter Bayerischer Wald der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft e. V. eine ernüchternde Bilanz.

Die Frage, ob sich der Braetling auch nach seinem Eindruck immer mehr zurückziehe, beantwortet er mit der Aussage: "Es ist noch dramatischer. Es gibt ihn fast schon gar nicht mehr."

Holzer sieht diesen traurigen Tatbestand im Zusammenhang mit den Forsterntemaschinen, den so genannten Harvestern. Die tonnenschweren stählernen Vollernter komprimieren in ihren "Rückegassen" das hoch empfindliche Erdreich folgenschwer.

Mit dem gesamten in Leidenschaft gezogenen sensiblen Ökoverbund werden auch die Wurzelgeflechte der Mykorrhizapilze, also an bestimmte Bäume, Sträucher und Gräser gebundene Pilze, schwer geschädigt wenn nicht gleich zerstört.

Braetlinge sind solche Mykorrhizapilze: Ihre Baumpartner sind Rotbuchen und Fichten, an deren feinen Wurzelenden sie einen Tauschhandel mit Nährstoffen betreiben, von dem beide profitieren.




Foto links: Einen Spazierstock hat Veronika Roider immer dabei. Der hilft nicht nur ein wenig bei der Ernte von Maronenröhrlingen, sondern notfalls auch gegen angriffslustige Wildschweine... (Foto © pps.com)




Die Trockenblumen duften bis in den Winter hinein

Das Füllhorn ihrer Heimat aber spendet die köstlichen Braetlinge noch. Und andere erlesene Pilzkostbarkeiten mehr. Was wohl vor allem dem glücklichen Umstand zu verdanken ist, dass das der Wald, in dem Veronika Roider sie findet, ihr eigener, ihr privater ist.

Einmal hat sie in einem Waldstück, in dem sie es überhaupt nicht erwartet hatte, auf einen Schlag an die 200 Rotkappen entdeckt.

Ein beinahe unglaublicher Fund, der im warmen Orangerot sprenkelnd herausstrahlt aus ihrer Pilzsammler-Biographie. „Solch ein Anblick bleibt haften, der geht einem nie mehr aus dem Sinn.“

Aber die fruchtbare Erde in dieser gesegneten Landschaft belässt es nicht bei edlen Speisepilzen. Hier strotzt es nur so vor Garten- und Wildblumen, Hagebutten, Schlehen, Moos und Beeren...




Und all dies ist gleichfalls ein nicht wegzudenkender Teil ihres Lebens. Denn daraus fertigt Veronika Roider kunstvolle Naturkränze und -gestecke. Vieles dafür sucht und holt sie allein aus dem Wald und aus den Feldern.

Der Trockenboden, auf dem sie die Kränze bindet, ist eine einzigartige Kreativwerkstatt. Bis tief in den Winter hinein hält sich hier der Duft von Blumen und Kräutern, von Wald und Wiesen. Mit Freude und Erfolg verkauft sie die anmutigen Stücke auf dem Markt in Regensburg. Sogar Seminare fürs Kränzebinden hält sie, gut besuchte.


Veronika Roider in ihrer Kranz- und Gebinde-Scheune; Foto © pps.com


Foto rechts: Veronika Roider auf ihrem ewig duftenden Scheunenboden. Hier trocknen nicht nur herrliche Wild- und Gartenblumen, hier fertigt sie auch ihre wunderschönen Kränze und Gebinde. (Foto © pps.com)




Dennoch, Veronika Roider bleibt ein sehnlicher Traum: „Etwa eine Autostunde von hier gibt es eine stillgelegte Bahnstrecke, über der Felsen mit verschiedenen Moosarten thronen. Soll ich ehrlich sein? Dort oben möchte ich mal den ganzen Tag sitzen. Nur schauen, träumen und genießen.“ So bodenständig können Sehnsuchtsträume sein.

„Ich habe nicht so schöne Hände“

Steinpilze, Rotkappen und Braetlinge aus dem Wald, Naturkränze aus Beeren, ein Tag auf einem bemoosten Felsen: das ist Heimat, so lebt sich für Veronika Roider Kontakt zur Erde aus.

„Meine ältere Schwester ist da ganz anders als ich“, sagt sie. „Schon früher ist sie nie in den Wald gegangen, hat sich kaum einmal für die Schönheiten hier draußen interessiert. Sie war immer feiner und ist es bis heute.

Ich habe gewiss nicht so schöne Hände wie andere Frauen, weil sie doch abgearbeitet sind. Aber das macht mir nichts. Jeder muss herausfinden, was für sein Leben das Beste ist.“



Foto links: Auf dem Christkindlmarkt in Regensburg bietet Veronika Roider ihre schmucken, selbst gefertigten Gebinde an. (Foto © pps.com)




Für Veronika Roider war es auch das Beste, immer wieder Geschichten aufzuschreiben. Und Mundartgedichte. Weil sie so feinnervig für die Gaben und Schönheit der Landschaft ist, ergab sich fast zwangsläufig, dass sie diese Landschaft gegen Verschandelung beherzt verteidigt.

„Die Abendstimmungen hier sind wie Balsam“

In München hat sie einmal einige ihrer Weihnachtsgeschichten vor Publikum gelesen. Die Befürchtung, sie hätten zu kritisch sein können, war unbegründet: „Die Lesung kam sehr gut an. Ich wurde sogar mit dem bayerischen Schriftsteller und Dichter Helmut Zöpfl verglichen.“

So hat sie die sich ausbreitende Unart, gesunde alte Obstbäume in Privatgärten oder auf Streuobstwiesen zu fällen, in einem Gedicht angeprangert. „Wenn ich so etwas sehe, blutet mir das Herz.“




Wer so tief empfinden kann, vermag auch die Stimmungen des Tages intensiver wahrzunehmen. Sie sagt: „Bei uns sind die Abendstimmungen etwas ganz Besonderes. Auf mich wirken sie wie Balsam.“ In ihrem wunderbaren Gedicht „Feiaomd“ bringt sie dies mit scharfer Beobachtungsgabe und trefflicher Wortwahl einfühlsam zum Ausdruck:


Feiaomd

« Nachtln tauts
und rauhe wird’s rundumadum.
SHolz hacht en Nebl drin,
a Vögl wern stumm.


Koa Maschin mehr, de scheppat,
de de Nachtrouh dat stern,
bloß vo da Weidn, wennst aufmirkst,
konnst des Gebetleitn hern.


Da Grill hintada Gretbenk,
der ist no net maid
und zirpt unafherle,
bis da Moschai afgait.


I sitz do und lus -
am Himmel scho da erst Stern.
Streck meine Faiß aus und rast
– da nachst Toch is no fern. »



Braetlinge bringen sie in den Schlaf

Aus den Versen sprechen in eingängigen Bildern Einkehr und Andacht. Sie kennt diese so kostbaren Momente, in denen sich alles setzt und legt. Und sie durchlebt sie tief und sehr bewusst. Ihre schönsten abendlichen Gedanken werden immer wieder begleitet von Bildern über Pilze.

„Wenn ich im Bett die Augen schließe, dann sehe ich einen besonders schönen Pilz, den ich ein paar Stunden zuvor gefunden habe, noch mal dastehen. Und dann schlafe ich ein mit dem Bild, dass Braetlinge oder Steinpilze so herrlich dastehen und ich sitze daneben im Moos.

Dann danke ich dem Herrn Gott, dass er unserer Familie für das ganze Leben unsere Braetlinge und Steinpilze und wunderschöne Blumen für meine Kränze geschenkt hat. Ist das nicht besser, als sich Gedanken zu machen, ob man wohl schöneren Schmuck hat als die Nachbarin? Oder darüber zu grübeln, ob die Kleidung, die man trägt, noch modisch ist?“


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