Mein Vater war Pilzsammler aus Leidenschaft und Zwang. Bereits im Alter von vier, fünf Jahren habe ich ihn auf ausgedehnten Tagesmärschen „in die Pilze“ begleitet. In den Wäldern um das Dorf Kalefeld am Harz, bekannt durch die jüngsten Römer-Funde am Harzhorn, fanden wir bedeutende Pilzmengen. Einen Großteil kochten wir als notwendigen Wintervorrat ein.
Foto rechts: Das bin ich, Heinz-Wilhelm Bertram, im September 1967, im Alter von elf Jahren. In der rechten Hand halte ich einen Steinpilz. Auf dem Hinterhof meines Geburtshauses in Kalefeld am Harz bereite ich eine Pilzausstellung für einen Elternsprechtag am Gymnasium Corvinianum in Northeim vor. Prunkstücke waren ein Hahnenkamm und eine Krause Glucke. Einen Hahnenkamm habe ich seither nicht mehr gefunden.
Wie mich mein Vater Wachsamkeit vor Knollenblätterpilzen lehrte
Hin
und wieder begegneten wir Konkurrenten. Schon damals haben mich diese
Einzelgänger fasziniert. Es waren meist ältere Männer, unscheinbar
graugrün gekleidet, scheu und geheimnisvoll. Kaum einmal ließen sie sich
in den Korb – in die Karten! – schauen. Als hätten sie uns nicht
bemerkt, stahlen sie sich tunlichst geräuschlos davon.
Jeder gefüllte Pilzkorb birgt Geheimnisse. Das Geheimnis der Pilze an sich, das sie mit ihrer magischen Ausstrahlung besitzen. Das Geheimnis ihres Standortes. Das Geheimnis der Anziehungskraft, die einzelne Pilzarten auf den Sammler ausüben. Und das Geheimnis der Sammlerpersönlichkeit.
So haben mich früh nicht nur Pilze an sich, sondern diejenigen in den Bann gezogen, die sie suchten. Nie mehr sollten mich diese Heimlichen, Leisen, Entrückten loslassen. So unzugänglich sie auch sein mochten: ich wollte sie mit ihrer großen Leidenschaft beschreiben.
Viele Jahre war ich Sportjournalist. Ich berichtete von Fußball-Welt- und Europa-Meisterschaften, aus der Bundesliga und über Olympische Spiele. Irgendwann aber bemerkte ich: Meine Sehnsucht nach Wäldern, nach Begegnungen mit Pilzen und Pilzsuchern war größer als der Drang auf die Pressetribünen. Dies war mehr als nur ein Signal. Es war ein Ruf.
Foto links: Mein erstes Pilzbuch: "Pilze - mein Hobby". Das Taschenbüchlein ist von Dr. Hanns Burckhardt, erschien um 1965 und kostete 4,50 D-Mark. Die Farben der Umschlagseite sind schon leicht verblasst. Was den Wert dieses lebenslangen Begleiters keineswegs beschränkt. Denn die Freude, mit der ich schon damals darin las, ist bis heute geblieben.
Immer öfter, immer zügelloser trieb ich mich in Wäldern herum. In Wäldern vor der Haustür, in Wäldern, die 700, ja 1000 Kilometer entfernt waren. In einem meiner Pilzkörbe trug ich immer zwei Kameras mit.
Fuhr ich unsere kleine Tochter zu ihren Großeltern nach Pilsen oder Prag, so gehörte der restliche Tag den Wäldern der Sumava, dem Böhmerwald. Bis zur Dunkelheit suchte ich in unbekannten Gegenden Pilze. Und manchmal sogar deren Sammler.
Die Tschechen sind noch pilzverrückter als wir Deutschen. Der Begriff "Pilze sammeln" ist ihnen viel zu lang, weshalb sie "houbarit" sagen, was man mit dem Verb "pilzen" übersetzen kann. Und einer, der "pilzen" geht, ist kein "Pilzsammler", sondern ein "Pilzer".
Wenn ein Tscheche im Herbst "rostou" sagt, so heißt das: sie wachsen. Und jeder weiß, dass damit nur eines gemeint ist: Pilze. Dass Pilzgerichte auf tschechischen Speisekarten dennoch nur selten zu finden sind, hat einen einfachen Grund: Pilze sind viel zu wertvoll, als dass ein Tscheche sie - auch für Geld - hergeben würde.
Foto: Dieses war zwar nicht mein letztes Fußball-Bundesliga-Spiel, bei dem ich als Sportjournalist tätig war. Dennoch war es ein Abschied: Es zeigt mich beim letzten Heimspiel des FC Bayern im Münchner Olympia-Stadion gegen den 1. FC Nürnberg am 14. Mai 2005.
Die Tschechen machen die schönsten und originellsten Pilzbücher. Sie haben den vermutlich größten Riesenbovist der Welt gefunden: er hatte einen Umfang von 2,12 Metern und wurde bei einem spontanen Dorffest stimmungsvoll verputzt. In jedem Herbst lassen sich Prominente beim gemeinsamen "Pilzen" im Wald filmen und stellen im Fernsehen ihre Lieblings-Pilzrezepte vor.
Als der Doyen der tschechischen Pilzkunde, Miroslav Smotlacha, 2007 verstarb, berichteten darüber fast alle Tageszeitungen auf der Titelseite.
Nicht nur all dieses hatte mich längst dazu bewogen, die Geschichten von Pilzsuchern aufzuschreiben.
Den Anfang machte Karl Berchtold aus Gauting/Obb.. Das ganze Jahr über findet er Schwammerl. Er zeigte mir Ernteplätze, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Durch ihn sollte ich über 50 essbare Arten neu kennen lernen. Und noch etwas anderes dazu, nämlich seine außerordentliche Gewieftheit.
Sie interessierte mich nicht minder. Denn schon lange elektrisierte mich die Frage, ob es wohl das Wesen des Pilzsammlers gäbe. Also Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die auf viele oder sogar auf alle Pilzsammler mehr oder weniger zuträfen.
Foto: Das bin ich in meinem Element: bei der Pilzsuche. Steinpilze füllen den halben Korb. Diese Aufnahme machte der Gautinger Fotograf Rainer Glück, den es ebenfalls immer in die Schwammerl zieht.
Ich spürte weitere Persönlichkeiten aus Wäldern in ganz Deutschland auf.
In dem Maße, wie ich ihr Vertrauen gewann, eröffnete sich die
Möglichkeit für teils bewegende Photos. Die Aufnahmen geben Einblick in
den verborgenen Alltag einer ebenso belächelten wie bewunderten Spezies.
Schließlich gab ich den Beruf des Sportjournalisten auf. Ich
hätte das schon früher tun sollen. Denn so ging manches Jahr halb oder
ganz vertan ins Land.
Dennoch bin ich sicher, nicht nur für mich einen Schatz gehoben zu haben. Den Schatz von der Seele des Pilzsammlers.
Nach
meinem Überblick haben sich einzelgängerische Sammler noch nie derart
bereitwillig geöffnet wie für diese Website. Es sollen nicht die letzten
sein. Denn diese Seite soll wachsen.
Freu Dich schon jetzt auf
weitere spannende Geschichten. Über Pilzsammler, die Dir viel von ihren
bewegenden Gängen in die Pilze zu erzählen haben. Und viel von sich
selbst, was letzten Endes immer heißt: von Pilzen.
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Trockene Wälder, wochenlang kaum oder gar keine Pilze... Das muss nicht sein! Mit der vorzüglichen Pilzbrut von Hawlik hat das ein Ende. Wie wäre es zum Beispiel mit köstlichen Limonenpilzen?
Ausgefallene Pilzgerichte wie Kaffee mit Reishi, Steinpilze im Kichererbsen- und Kartoffelpürree, Sammel- und Gesundheitstipps und vieles mehr: Hier geht's zum genussvollen Stöbern in Wohlrabs Pilzreich
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Besonders für Einsteiger in die faszinierende Morchelsuche geeignet!
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