Stefans Pilzpost: Vom schlotzigen Essen zum Pilzesammeln für kulinarischen Genuss







Foto rechts: Stefan zeigt einen Korb voller herrlicher Pfifferlinge. Pfifferlinge waren sein erster Pilzfund überhaupt, nachdem er vor einigen Jahren beschlossen hatte, Pilze zu sammeln. Seither hat sich sein Alltag, sein Leben deutlich verändert. Dazu gehört auch seine Kochleidenschaft, die er, wann immer möglich, mit Pilzen und frischen Zutaten möglichst aus der Region kultiviert. (Foto © Fabiano)

(Stefans Pilzpost)




Stefans Pilzpost vom 11. März 2019

»Hallo Heinz-Wilhelm,

im Gegensatz zu den meisten Pilzfreunden, die ja von ihren Eltern oder Großeltern zum Pilzesammeln hingeführt werden, fand ich meinen Zugang zu Pilzen auf ganz andere Art und Weise. Das möchte ich hier etwas näher beschreiben.

Ich wurde anfangs der 80er Jahre geboren. In den Neunzigern sprach ich mit Begeisterung Tiefkühlpizzen, Mikrowellenfutter und Zitronenlimonade zu. Wie soll es auch anders sein, wenn einem die Industrie diese Verlockungen immer intensiver via Werbung unter die Nase reibt, den berufstätigen Eltern die Zeit zur Kontrolle fehlt und ich als kleiner Junge nach der Schule auf mich alleine gestellt war.

Ich erinnere mich aber auch gut daran, dass ich mein Essen selten so gegessen habe, wie es ursprünglich war. Manchmal habe ich nur etwas nachgewürzt, vorzugsweise mit Kümmel, weil ich Kümmel sehr mag. Im Regelfall aber habe ich versucht, den Schmaus mit weiteren Zutaten aufzuwerten. Dies hatte mit einer unterschwelligen Grundunzufriedenheit zu tun.

Bis zum Ende meiner Jugend war dieses ungesunde Essen ein Dauerzustand. Zwischen meinem 14. und 16. Lebensjahr gaukelte ich meinen Eltern sogar mal vor, Vegetarier zu sein. Das war der einfachste Weg, um am Fleisch vorbeizukommen.

(Stefans Pilzpost)

Die Eltern konnten nicht kochen

Denn Fleisch mochte ich nicht. Eigentlich mochte ich nichts, was nicht in irgendeiner Weise zerkleinert und in seinem Ursprung nicht mehr erkennbar war. Im Grunde lief das auf Hackfleisch hinaus, am Besten mit viel Gewürzen, so dass der ursprüngliche Geschmack nicht mehr zu gewahren war. Oder Omas »Füll«, das ist durch den Wolf gedrehtes Fleisch oder es sind Innereien mit eingeweichten Brötchen und Kräutern zum Füllen von Hase, Gans etc..

Damals glaubte ich, dass Fleisch mir einfach nicht schmecken würde und deshalb durch Zutaten drastisch verändert werden müsste. Heute weiß ich, meine Eltern konnten einfach nicht kochen. ;-)

Das Thema Kochen genoss bei uns auch nie einen großen Stellenwert. Zwar hatten wir einen großen Garten mit Gemüse, Kräutern und vielen Beeren, Opa einen Stall mit Hasen, Hühnern und auch ein paar Schweinen, aber das Kochen wurde bei uns eher als Pflicht denn als Kür empfunden. Gefühlt wurde einfach alles in einen Topf geworfen und so lange gekocht oder gegart, bis es weich und durch war - fertig. Guten Appetit.

Als ich mit 19 Jahren auszog, begann ich zwangsläufig, selbst zu kochen. Das fing mit einfachen Dingen wie überbackenen Nudeln mit Ei, Chilli con Carne, Pfannkuchen und ähnlichem an. Mit etwa 25 Jahren bereitete ich mir immer öfter Speisen wie Pasta und Aufläufe zu. Zu dieser Zeit habe ich allmählich ein kulinarisches Verständnis entwickelt. Kannte ich bis dahin ja nur schlotziges Essen aus der Dose, dem Glas, der Tiefkühltruhe oder der Plastikverpackung.

(Stefans Pilzpost)

Die Entdeckung der Kochlust

Auch begann ich damit, meine Zutaten immer öfter frisch zu kaufen und auch den ein oder andern Blick über den Tellerrand zu wagen. Ich entdeckte eine mir bis dato verborgene Welt und entwickelte einen Sinn für Geschmäcker und Texturen. So gewann ich allmählich immer mehr Spaß am Kochen und Freude beim Essen. Im Grunde war dies mein Startschuss.

Ich kaufte mir ein ordentliches Küchenmesser, fertigte ein Schneidbrett aus Holz, interessierte mich immer mehr für die Kochthematik, der ich immer mehr Zeit widmete.

2012 zog ich mit meiner Freundin zusammen. Ich hatte mein Studium beendet und somit auch wieder mehr Zeit. Ich kochte nach wie vor gerne Pasta und Aufläufe, meine Freundin eher klassische bürgerliche Küche wie z.B. Schnitzel, Kartoffeln, Eintöpfe.

(Stefans Pilzpost)

Fleisch und Wurst holte sie ausschließlich beim ortsansässigen Metzger, dessen Familie dieses Handwerk bereits seit 90 Jahren betreibt und auch versteht.

So bekam ich erst mit 20jähriger Verspätung Zugang zum Thema Fleisch- und Wurstqualität. Mein Verständnis für frische und qualitativ gute Ware veränderte und erweiterte sich stark. 

Es stellten sich neue, gewinnbringende Gepflogenheiten ein. So gingen wir fortan wöchentlich samstags auf den Hanauer Wochenmarkt und kauften unser Obst und Gemüse für die ganze Woche frisch ein.

Es muss dann etwa Mitte 2012 gewesen sein, als ich dort zum ersten Mal Pilze kaufte: Steinpilze. Es waren meine ersten selbst gekauften Pilze - denn wie eingangs berichtet, mochte ich diese ja eigentlich nicht.


Foto: Auch die schönen Pilzillustrationen, die Stefan in seinem Haus aufgehängt hat, zeugen von seiner Leidenschaft für das Pilzesammeln. Nach und nach hat er sich immer mehr Artenkenntnis angeeignet, so dass er heute exklusive Gerichte zubereiten kann. Seit er Pilze sammelt, hat Stefan einen ganz neuen Lebensstil entwickelt. (Foto © Stefan)


Meine ersten Steinpilze begeisterten mich

Was wir damit zubereiteten, kann ich gar nicht mehr sagen. Aber ich weiß noch sehr genau, dass ich zum ersten Mal keine schlotzigen, glibberigen Pilze im Mund hatte, sondern, ganz im Gegenteil, schöne bissfeste. Und sie begeisterten mich mit ihrem tollen und intensiven pilzigen Geschmack. Herrlich!

(Stefans Pilzpost)

Dieses Erlebnis wollte ich zwei Wochen später wiederholen. Also kaufte ich erneut Steinpilze. Voller Vorfreude zu Hause angekommen, wollte ich die Pilze putzen und vorbereiten. Ich schnitt sie in der Mitte durch - und musste entsetzt feststellen, dass mich unzählige zappelnde Proteinspender in den Stücken abschreckten.

Angewidert packte ich alle Pilze wieder ein, stieg ins Auto und fuhr zum Markt zurück und legte meinem Verkäufer die Papiertüte mit den teils schon geschnittenen Steinpilzen und den kleinen Pilzbewohnern auf den Tresen.

Was folgte, war ein rund 15-minütiges Gespräch, das zwar grundsätzlich offen und beiderseitig respektvoll war. Dennoch fiel ein entscheidender Satz von ihm: »Die paar Würmchen, nun stell dich nicht so an, das ist die Natur, brate sie mit und fertig!« Er bot mir auch an, dass ich mir neue Pilze aussuchen dürfe, was ich allerdings verneinte.

(Stefans Pilzpost)

Das war ein Rückschlag, und das ausgerechnet in dem Moment, da ich gerade erst den Zugang zu Pilzen gefunden hatte. Ich empfand Ekel. Was mich aber noch viel mehr anwiderte, war seine Aufforderung, dass ich mich nicht so anstellen sollte, denn dieser völlig missglückte Vorschlag erinnerte mich daran, warum ich in der Vergangenheit so ungern und wenig gegessen hatte: schlechte Qualität, mangelnde Ästhetik, lieblose Art der Zubereitung, fader Geschmack, fehlende Textur.

Der Entschluss, Pilze selbst zu sammeln

Ich weiß noch ganz genau, wie ich aufgrund dieser Geschichte im Frühjahr 2013 - ich saß auf der Couch und blickte zu meiner Freundin - naiv vor mich hinbrummelte: »Okay, wenn ich nur schlechte Ware zu kaufen bekomme, dann sammle ich eben selbst Pilze!«

Ja, genau so sagte ich das, trotzig wie ein kleiner Junge. Und so trotzig meinte ich es auch. ;-) Ich kenne es wirklich nicht anders und habe die Not schon immer gerne zur Tugend gemacht. 

Ja es war, wie ich heute weiß, wirklich naiv und ich habe viele, viele Kilometer schweißgebadet hinter mich gebracht, ohne auch nur einen einzigen Pilz zu finden. Aber ich war zäh und gab nicht auf. Das gesamte Internet habe ich auf links gedreht, habe Bücher gekauft und gelesen, bin gelaufen, habe wieder gelesen und bin wieder gelaufen.

Wie einfach wäre doch dagegen der klassische Weg gewesen, den so viele Pilzsammler gehen, die nämlich von ihren Eltern oder Großeltern angeleitet werden.

(Stefans Pilzpost)

Pilze sammeln veränderte meinen Alltag

Mit meinem ersten Pilzfund - Pfifferlinge - , die mich über die Website der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) gleich zu »meiner«  Pilzsachverständigen führten, bequemerweise in den Nachbarort, begann meine Karriere als Pilzsammler. Ich schätze sie und ihre Dienste sehr und suche sie generell auf, um mir Erstfunde freigeben zu lassen. Mit ihrer Leidenschaft und Geduld vermittelt sie mir immer wieder neues Wissen über die fabelhafte Welt der Pilze.

In einer Zeit, in der alles immer schnelllebiger wird, die Masse und nicht die Qualität im Vordergrund steht, Werbung, Verpackung und die Aufmachung eines Produktes wichtiger zu sein scheinen als der Inhalt, empfinde ich es als wahre Wohltat, Bücher zu lesen, raus in die Natur zu gehen, zu entschleunigen, Pilze zu sammeln und mich kulinarisch auf eine Reise voller Überraschungen einzulassen.

Wurde ich die ersten Jahre noch dafür belächelt, vor allem dann, wenn ich mal wieder mit leeren Händen und bedrückter Miene aus dem Wald zurückkam, so hat das Thema Pilze mit all seinen Begleiterscheinungen seit etwa 2016 großen und positiven Einfluss auf meinen Alltag, meine Familie, den Freundeskreis und auch auf meine Einstellung zu all diesen Themen genommen.

Pilze sammeln ist für mich zur wirklichen Passion geworden, erfüllt mich und bereitet mir immer wieder wundervolle Freuden und vermutlich noch einige tolle Geschichten, die ich heute noch nicht kenne.

Beste Grüße, Stefan«

(Stefans Pilzpost)

Lieber Stefan,

das ist eine sehr schöne Geschichte, in der Du ganz offen und analytisch schonungslos schilderst, wie sehr das Pilzesammeln förmlich Dein ganzes Leben verändert hat. Es naturnäher und gesünder und damit freudvoller und lebenswerter gemacht hat. Was sich für das Auge ja auch in den schönen Pilz-Illustrationen zeigt, mit denen Du Euer Haus geschmückt hast.

So bist Du viel näher an eine Lebensart herangerückt, wie sie unsere Vorfahren und Vor-Vorfahren pflegten und wie sie für uns Menschen eigentlich gedacht ist. Dass wir uns nämlich unsere Nahrung mit viel Bewegung und (Überlebens-)Hingabe selbst beschaffen. Kommt dann noch der kulinarische Genuss hinzu, ist alles perfekt!

In diesem Stil wünsche ich Dir weiterhin viele erbauende Erlebnisse und Jahre im Umgang mit Pilzen!

Mit herzlichen Grüßen Heinz-Wilhelm

(Ende Stefans Pilzpost)

Alle Illustrationen auf dieser Seite: (© 3drenderings - fotolia)





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