Pilzberater Kunde: "Die Sammler sind
traurig, wenn sie Steinpilze, aber
keinen Knoblauchschwindling haben"



Noch 15 Minuten, dann wird Pilzberater Hans-Heinrich Kunde die Haustür öffnen. Die ersten Besucher haben sich bereits eingefunden. Auf der Treppe in der Predigerstraße 1 in Ribnitz an der Ostsee stehen gut und mäßig gefüllte Körbe, kleine und große. Und kleine und große Pilzsammler warten auf Einlass.

Täglich schiebt sich eine unterschiedlich lange Schlange durch das Haus. Manchmal ist sie so lang, dass die Pilzsammler Bürgersteig, Treppe, Flur, Küche, hinteren Flur und den Hof belagern. Rechter Hand hinten, in einer abgetrennten Sitzecke, nimmt der Pilzberater den Fund in Augenschein.


Foto: Jeder ist eingeladen, zur Pilzberatung von Hans-Heinrich Kunde zu kommen. "Wenn dat weke giwwt..." Wenn es welche gibt... Das originelle Keramikschild hat Kunde selbst gefertigt.


Viele Jahre befand sich seine Gutachterstube unter freiem Himmel. Recht skurril hatte er sie mit Hirschgeweihen und Wildschweinschädeln dekoriert. Jetzt ist daraus eine Art Wintergarten mit Überdachung geworden. „Damit die Leute nicht mehr im Regen stehen müssen.“



„Statt Pilze bringen sie Frösche mit“

Manchmal muss sich Hans-Heinrich Kunde den Mund verbieten vor Unverständnis. Dann nämlich, wenn mal wieder einer der Ratsuchenden den halben Wald in seinem Korb mitgebracht hat. Oder, viel schlimmer: in seiner Plastiktüte.

Der Pilzberater: „Für minimale Beute rupfen sie ganze Moospolster raus. Ich staune auch nach Jahren noch immer wieder: sie gehen raus, um Pilze zu sammeln, bringen aber fast nur Walderde, Moos, Laub, Zweige und Frösche im Korb mit.“

Einige, beklagt er, wollten die Pilzarten grundsätzlich nicht kennen lernen: „Die kommen schon seit Jahren und haben nichts dazugelernt. Die wollen von mir nur aussortiert bekommen, was sie in die Pfanne hauen können und was nicht. Es ist fast ein Frevel.“


Foto: Johannes ist mit seinen Eltern in den Wintergarten gekommen, um seinen Pilzfund von Hans-Heinrich Kunde überprüfen zu lassen. Tags darauf hat der Zehnjährige, der bereits über weitreichende Artenkenntnis verfügt, in der Schule einen Vortrag über die Pilze des Spätherbstes gehalten.


Dennoch: Auch diese „Kundschaft“, wie er sagt, berät er freundlich. „Ich halte mich zurück, werde nie laut. Lieber ein humorvoller Rüffel oder ein sanfter Seitenhieb. Es sind ja häufig unbedarfte Leute. Und letzten Endes freue ich mich, dass sie in den Wald gehen, anstatt vor der Glotze rumzuhängen.“



„Ich gehe nie gezielt Steinpilze sammeln. Aber wenn dann mal einer so rumlümmelt am Wegrand, dann nehme ich ihn natürlich mit.“
Hans-Heinrich Kunde über seine Liebe zur Vielfalt


Er gibt sein Wissen in vollem Umfang weiter

Kunde legt großen Wert auf volkstümliche Beratung: „Was ich weiß, soll auch jeder andere wissen. Ich zähle nicht zu denen, die sich einen großen Namen machen wollen und ihr Wissen bunkern. Ich betreibe hier einen selbstlosen Dienst am Pilzfreund.“

Als sein Vorbild nennt er den Pilz- und Naturkenner Joe Duty. Ihm zu Ehren lobt die Stadt Rostock alljährlich einen Kulturpreis aus. „Duty hat alles weitervermittelt, was er wusste, und zwar mit Herzensgüte.

Wir wären heute weiter, wenn wir ihn mit seiner Pilzkenntnis und Freigiebigkeit hätten. Andere hingegen wollen alles für sich behalten. Da reisst die Kette des Wissens ab. Das finde ich unmöglich.“


Foto: Ein Bild aus versunkenen Tagen. In der früheren Beratungsecke lässt Hans-Heinrich Kunde eine Rat suchende Mutter aufschreiben, welche Pilze gefunden wurden. Der Nachwuchs schaut dem Meister gebannt zu.


Kundes Haltung, sein Wissen großzügig weiterzureichen, sei ein Grund, weshalb er der Deutschen Gesellschaft für Mykologie nicht beitrete. „Das ist mir zu egoistisch, zu akademisch. Die Gesellschaft tut jedoch gerne so, als sei ich Mitglied.“



Jede Pilzart trägt er handschriftlich ein

Sein Wissen hat er sich auch in seiner Studierstube angeeignet. Sie wächst Buch um Buch. In den vergangenen Jahren hat hier vor allem Literatur über Heilpilze Eingang gefunden. „Darunter sind Bücher, die nur sehr schwer aufzutreiben waren und die mir viel bedeuten.“ Aber auch die Abteilung „Heilkräuter“ kann sich sehen lassen.

Hans-Heinrich Kunde bringt es manchmal auf 750, ja 800 Beratungen pro Jahr. Manchmal kommen 40 bis 50 Leute an einem Tag. Der Tagesrekord steht bei 65 Personen. Weit über 13000 Beratungen hat er hinter sich.

Den Rekord an Artenreichtum erzielte ein Mann, der, „es war wohl 1994, 68 verschiedene Arten vorlegte“. Kunde kann die Zahlen aus dem Ärmel schütteln. Seinem Gedächtnis dient auch ein dickes Heft. Denn jede Pilzart, und sei sie noch so unscheinbar, trägt der Pilzberater fein säuberlich handschriftlich ein.



Foto links: Und noch ein Photo von der nicht mehr existierenden Beratungsecke. Nein, es ist kein Goldröhrling, sondern ein Goldfellschüppling...




Der Pilzberater ist stolz darauf, ein gesundes Interesse seiner Klientel an stiefmütterlichen Pilzen geweckt zu haben. „Ganz begehrt ist der Knoblauchschwindling. Da kommen Leute, die haben acht Kilo Steinpilze, sind aber todunglücklich, weil sie keinen Knobi gefunden haben. Sie tauschen dann gerne im Verhältnis 1:4 bis 1:10 mit anderen Pilzfreunden.

Für ein gutes Archiv zerschnippelt er schon mal Pilzbücher

Wenn ich die Börse so mitverfolge, geht mir das Herz auf. Weil ich in solchen Momenten weiß, dass sich mein Dienst am Pilzfreund gelohnt hat.“ Wenn kleine, unscheinbare Pilze Freude bei den Sammlern auslösen, sieht er seinen Auftrag erfüllt.

Viele Jahre sei er „heilfroh“ darüber gewesen, „dass es bei uns keine Weiße Trüffel gibt. Das fehlte noch. Dann gäbe es hier Mord- und Totschlag wie in Spanien oder Frankreich.“ Inzwischen wurden tatsächlich zwei gefunden – doch Ribnitz und das „Pilz- und Kräuterbestimmungshaus Kunde“ stehen immer noch.

So geht es trotz kleiner Vergehen an Moos und Fröschen gesittet zu bei der Pilzsuche am Darß. Kaum einer hier hat einen solchen Überblick wie Kunde. Denn bei ihm auf dem Hof laufen die Nachrichten aus allen Wäldern, Wiesen und Parks zusammen.


Foto: Vieles von seinem umfangreichen Wissen hat sich Pilzberater Hans-Heinrich Kunde aus seinen 130 Fachbüchern angeeignet. Er zerschneidet auch Pilzbücher. Aus den entnommenen Bildern hat er ein Archiv mit 48 Pilzfamilien angelegt, das 48 Aktenordner umfasst.


Er weiß: „Obwohl die Literatur Ellerlinge beharrlich für unsere Region ausweist, gibt es sie, solange ich denken kann, nicht.“ Ein Satanspilz sei erstmals seit knapp 50 Jahren anfangs 2000 wieder gefunden worden.

Der gute alte Wiesenchampignon ist ausgestorben

Der Wiesenchampignon, einst ein Klassiker, sei praktisch ausgestorben: „Es gibt neue Grassorten, die lassen keine Fruchtkörperbildung des Pilzes mehr zu. Das ist das Entscheidende. Der Dünger tat sein Übriges“, weiß der Pilzberater.

Für den Wiesenchampignon sei vor allem der Rissige Ackerling gekommen und mit ihm je nach Jahr sechs bis neun weitere Arten. „Darunter auch der Garten-Egerling und der Kreideweiße Egerlings-Schirmling. Und auch eine ganz seltene Art, nämlich der Gedrungene Egerling. Er wurde auf einer Koppel bei Bollhagen entdeckt.“

Vielfalt, das ist die Leitlinie von Pilzberater Hans-Heinrich Kunde. Vom einseitig festgelegten Steinpilzsammler ist er unendlich weit entfernt. Es ist schon originell, wenn er sagt: „Ich gehe nie gezielt Steinpilze sammeln. Aber wenn dann mal einer so rumlümmelt am Wegrand, dann nehme ich ihn natürlich mit.“


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